Kroatien – Split nach Rijeka

Fünf Tage bleiben mir, um von Split nach Rijeka zu fahren. Ungefähr 360 km. Nur die Entfernung gedacht, scheint es machbar. Anstrengend, aber möglich. Dazu kommen 3550 Höhenmeter. Nicht mitgerechnet der Gegenwind. Erstmal nehme ich die Herausforderung an und hetze in zwei langen anstrengenden Etappen von Split nach Zadar.

In Hafen von Split treffen sich die Fähren aus allen Richtungen. Auf den Kais und auf der Promenade wuseln am Sonntagabend Menschen mit Gepäck. Sprachfetzen unterschiedlicher Sprachen fliegen durch die Luft. Schon jetzt Ende März sind etliche BackpackerInnen unterwegs. In der Altstadt sind am Abend viele Restaurants geöffnet. Schlecht essen zu überhöhten Preisen geht problemlos.

Die Stadt sehe ich am nächsten Morgen nur von hinten. Im dichten Verkehr geht es hinaus. Dreißig Kilometer durch touristische Vororte an der Küste. Die vorgelagerten Inseln scheinen nur durch einen Fluss oder See getrennt. So nah liegen sie am Festland. Die kroatische Küste war ebenfalls lange von Venedig besetzt. Auch in den vierhundert Jahren, in denen das Hinterland zum Osmanischen Reich gehörte. So hat fast jeder Ort ein historisches, venezianisches Stadtzentrum, das für den Tourismus gehegt und gepflegt wird. Die Straße hingegen ist in schlechtem Zustand. Sie wird erst besser, nachdem ich aus dem Großraum Split heraus bin. Dafür führt sie nicht mehr durch die Orte, sondern umfährt sie.

Die kroatische Adriaküste braucht sich hinter der italienischen nicht verstecken. Im Gegenteil! Durch die Steilküste und die Inseln haben die mittelalterlichen Innenstädte ein besonderes Flair. Voller Treppen und verwinkelt ist auch Šibenik. Dazu eine Kirche, fast ein Dom mit Fresken, Löwen, Adam und Eva, Gottesabbildung, Ornamente um das Portal.

Šibenik

In Šibenik habe ich ein Appartement im zweiten Stock eines alten Gebäudes direkt an der Promenade. Blick auf Bucht von Šibenik. Morgens höre ich die Geräusche aus der Wohnung. Schritte, Geschirrklappern, Kindergeschrei. Das Gemüse vom Vorabend kann ich verstauen. Der Rucksack mit den Lebensmitteln ist jetzt ziemlich schwer. Nach dem Frühstück trage ich Taschen und das Fahrrad vom zweiten Stock wieder runter. Eine ältere Frau sitzt im Flur und schaut auf ihr Smartphone. Sie grüßt freundlich und hält mir die Tür auf.
Den größten Teil des Tages fahre ich die Bundesstraße 8 entlang. Der Gegenwind nimmt zum Mittag zu. Es ist eine anstrengende Fahrt. Erst sieht die Landschaft aus, als hätte es gebrannt. Steinwälle zwischen schwarzen Sträuchern. Gegenüber der südlichen Küste ist es nun viel karger geworden. Ein Abstecher am Meer entlang und durch Orte lockert die Fahrt etwas auf.. Leider wieder eine Baustelle, die ich teils schiebend durchquere. Für 76 Kilometer brauche ich an diesem windigen genauso lange wie für 87 km mit Rückenwind am Vortag.
Das Appartement, das ich in Zadar gebucht habe, liegt in einem besseren Wohngebiet, ist modern, geschmackvoll und hat einen Balkon. Hier würde ich gerne etwas länger bleiben. Auch Zadar ist einladend. Es hat einen offenen Meerzugang und eine Inselbucht. Auf der Insel – die historische Altstadt. Die Bucht mit einer Fußgängerbrücke vermittelt einen großzügigen Eindruck. Der Luft ist frühlingshaft an diesem Abend. Ein Straßenmusiker auf der Brücke sorgt für eine freundliche Stimmung. Die abendliche, schneidende Kälte der letzten Wochen ist verschwunden. Yachten liegen noch im Winterquartier. Der Yachthafen liegt so voll, dass ich mich frage, wie die Boote ablegen können. Fährschiffe reihen sich aneinander. Und da ich keine Ticketverkaufsstelle finde, schaue ich endlich mal im Internet nach Fährlinien, um mir die Fahrt in den letzten Tagen zu erleichtern. Tatsächlich gibt es eine Möglichkeit, mit der Fähre nach Rab und von dort nach Krk überzusetzen. Krk ist durch eine Brücke mit dem Festland verbunden.
Gerne würde ich mir für Zadar einen Tag Zeit nehmen. Und die beiden letzten Radtage haben mich durch den Gegenwind mehr erschöpft, als erwartet. Ich würde auch in Kauf nehmen zu spät nach Cesenatico zu kommen, wo wir mit Radfreunden verabredet sind. Leider kann ich das Appartement nicht verlängern, weil es ausgebucht ist. Die Saison beginnt langsam.

Also fahre ich weiter nach Norden. Novalja auf der Insel Pag ist die nächste Station. Erst nach Osten, um dann Richtung Pag abzubiegen. Zweimal behindern mich diese reichlich, oft mit deutschem Kennzeichen, herumfahrenden weißen Lieferwagen ohne Aufschrift. Einer nimmt mir die Vorfahrt, ein anderer hupt langanhaltend während er ohne Abstand, mich fast berührend, an mir vorbei fährt. Kurz darauf eine Ampel. Er hat ein deutsches Kennzeichen. Ich fotografiere es.

Die Landschaft wird immer bizarrer. Erst fahre ich auf einen Gebirgszug zu, dann ist der Blick frei auf die Insel Pag und eine vorgelagerte Insel. Es sieht nach Kiesgrube aus. Nur Steine, Sand und Wasser. Pag ist eine verwüstete Insel. Auf der Nordostseite vom polaren Nordostwind ‚Bora‘ gebeutelt. „Die Inseln wurden von Römern und Venezianern entwaldet. Die Bora fegte die freigelegte Krume davon, dann wusch Regen den Felsgrund aus, was zur Verkarstung der Landschaft beitrug. „ Auf der Westseite fängt das Pflanzenwachstum etwas unterhalb der Gipfel an. Jetzt im Frühjahr kann man die Wachstumsgrenze gut sehen.
Auf meinem Weg über die Insel muss ich eine unbefestigtes Wegstrecke überwinden. Schotter und Sand. Extreme Steigungen. Meist schiebe ich. Ganz entspannt. Ich habe genug Zeit. Dem Gegenwind bin ich so ausgewichen.
Novalja ist eine Partymeile. Der Wirt erzählt, dass er das Haus vor zwei Jahren gekauft hat. Er hat es renoviert und zwei Appartments eingerichtet. Sie bieten mit zwei Schlafzimmern Platz für Familien und sind gut ausgestattet für einen Familienurlaub. In der ersten Zeit habe er hauptsächlich Gäste gehabt, die Party gemacht haben. Erst als er die Preise erhöht hat, kamen die Familien. Dabei war es das günstigste Appartement, das ich in Novalja buchen konnte. Seine Kinder wohnen in Zagreb und in Deutschland. Je nach Jahreszeit ist er in Zagreb oder auf Pag.

Ich könne mit dem Katamaran nach Rijeka fahren, wenn ich das Rad auseinander nähme und in Mülltüten verpackte, erzählt er mir. Der Katamaran sei groß genug, um Fahrräder mitzunehmen. Er wisse auch nicht, warum es diese Regeln gebe. Ich möchte mein Rad nicht auseinanderbauen. Außerdem möchte ich das schöne Wetter noch ausnutzen. Wenn ich langsam fahre und mir keinen Stress mache, ist alles ok – denke ich.
Ein kleiner Spaziergang an der Promenade, eingekauft, Salat gemacht. Schöner Abend

Stadt Pag

In der Nacht kann ich schlecht schlafen. Ich bin nervös. War es richtig, nicht den Katamaran zu nehmen und das Rad auseinander zu bauen? Kann ich die Steigungen schaffen? Erst nachdem ich mich beruhigt habe, dass ich auch noch einen Tag länger brauchen kann, schlafe ich. Der Wetterbericht am nächsten Morgen bringt mich vollends aus dem Konzept. Sollte es tatsächlich Samstag schon Regen und Sturm geben und erst am Dienstag besseres Wetter sein, bräuchte ich nicht mehr nach Cesenatico. Und von Rijeka komme ich mit dem Rad nicht weg. Hier fahren nur Busse. Um sieben Uhr stehe ich auf, frühstücke schnell und packe alles zusammen. Gegen halb neun sitze ich auf dem Rad. Irgendwie ist in meinem Kopf hängen geblieben, dass schon um neun Uhr eine Fähre fährt. Eigentlich wollte ich die um zehn Uhr nehmen. Und plötzlich werde ich ehrgeizig, denke, wenn ich schon um neun fahre, kann ich ganz in Ruhe die Steigung hinauf zur Bundesstraße schieben. 300 Höhenmeter auf drei Kilometer. Das kann ich nicht fahren. Also fahre ich mit Druck zum Fähranleger. Steigung mehrmals bis zu zehn Prozent. Damit ruiniere ich mich für den Tag. Fähre ist auch nicht da. Sie ist schon um 8:30 Uhr gefahren. Der Fährhafen mutet surreal an. Eine neue Anlage in kahler Felslandschaft. Eine Stunde warten. Insgeheim hatte ich mir gedacht, jemanden zu fragen, mich mit hoch zur Bundesstraße mitzunehmen und ggfs. bis nach Rijeka. Also halte ich Ausschau, ob einer der weißen Lieferwagen kommt. Tatsächlich kommt einer. Ich frage den Fahrer, wo er hinfährt. Rijeka- und ob er mich mitnehmen kann. Seine Ladefläche sei voll. Sie sind zu zweit und es dauert noch eine Weile, bis die Fähre kommt. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass sie mich nicht mitnehmen. Derweil versuche ich den Verlauf der Straße auf der anderen Seite herauszufinden. Schaue auf google Maps und immer wieder auf den Fels gegenüber. Jedes ankommende Auto begutachte ich, ob es Fahrrad und mich mitnehmen kann. Nur PKWs. Als die Kasse öffnet, kaufe ich mein Ticket. Und dann passiert es. Der Begleiter, es ist der Bruder des Fahrers, kommt und fragt, ob ich bereit sei, 50 € zu bezahlen. Ich stimme sofort zu. Eine einmalige Chance, hier noch unbeschadet rauszukommen. Außerdem möchte ich nicht noch längere Zeit auf diesen kahlen Inseln verbringen. Sie liegen wie nackte Ungetüme im Wasser. Wir verstauen Rad und Gepäck im Laderaum. Voll ist hier gar nichts. Nur eine Matratze hat er geladen. Bin ich froh, im Auto zu sitzen, als wir die Serpentinen auf der Gegenseite hochfahren! Die beiden wohnen im Winter in Zagreb, im Sommer in Novalja auf Pag. Dort haben sie Appartements und vermieten noch alle möglichen Wasserspielzeuge. Auch Rab ist so unwirtlich, dass ich froh bin, dort nicht langfahren zu müssen. Krk ist größer, aber auf der Ostseite auch völlig ohne Pflanzen. Gegen Ende der Fahrt frage ich, wo sie in Rijeka hinfahren. Nach Viškovo. Ich kann es kaum fassen vor Freude. Das ist auf meinem Weg im Westen von Rijeka und zwar schon über 300 Meter hoch. Es werden 380 m. Sie halten auf dem Parkplatz einer Gaststätte. Es ist alles so perfekt, als hätten sie es für mich ausgesucht. Wir bedanken uns gegenseitig. Jeder freut sich. Und ich setze mich erstmal, um meine Strecke zu planen. .

Fähre von Žigljen/Pag nach Prizna
Split – Šibenik 88 km610 hm
Šibenik – Zadar 76 km430 hm
Zadar – Novalja/Pag70 km640 hm
Novalja/Pag – Žigljen/Pag8 km180 hm
Gefahrene Strecken auf Komoot

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