Albanien – Lezhe und Shkodra

Schwieriger Tag. Der Wein war zu gut am Abend zuvor. Ich fahre also mit meinem Kater aus dem chaotischen Tirana hinaus. Alles geht mir auf die Nerven. Autos, die halten und losfahren ohne zu blinken. Stau und schwarze Dieselabgase. Schlaglöcher am Straßenrand, so dass ich nicht auf der Seite fahren kann. Es dauert ca. zehn Kilometer, um dem gröbsten Verkehr zu entkommen. An einer Lukoiltankstelle halte ich auf der Suche nach ihren speziellen Hot Dogs an. Gibt es in Albanien natürlich nicht. Dafür einen Wasserschlauch. Ich spritze das Rad mit Wasser ab und putze noch etwas hinterher. Dann weiter. Nach einer Weile biege ich auf eine Nebenstraße, die über die Dörfer führt ab. Immer wieder werde ich aus Autos und vom Straßenrand von Männern angesprochen, woher ich käme. Heute nervt es mich. Die Strecke wäre landschaftlich sehr schön, wäre dieses Land nicht so dreckig und kaputt. So richtig kann ich mich nicht entschließen, einzukehren. In Laç biege ich ab und suche ein Restaurant. Eine Frau fragt mich, ob sie mir helfen kann. Das ist angenehm. Ich kann keine Männer mehr sehen. Sie zeigt auf einen Imbiss. Ich esse einen Blätterteig mit Käse. Eine Toilette gibt es nicht, aber die Bedienung kommt und bringt mich zur Personaltoilette. Das finde ich wirklich nett. Frauentag? Frauen helfen Frauen?
Schon von weitem sehe ich die Hochhäuser in Lezha. Sie sind tatsächlich neu, modern und bewohnt. Die ganze Stadt ist anders. Nicht so heruntergekommen. Am Fluss gibt es eine Promenade mit Radweg. Auch an der Hauptstraße gibt es einen Radweg. Immerhin wird er benutzt, um geordnet zu parken. Auch das ist ein Fortschritt. Eine alte Burg thront auf einem Berg. Zum Meer und Strand ist es auch nicht mehr weit. Stefan hat schon einen Abstecher zum Meer gemacht. So bin ich heute zuerst am Hotel. Gutes Zimmer, aber Kreditkarten funktionieren nicht. Kleiner Rundgang durch die Stadt.

Von Lezhe aus fahren wir nach Shkodra. Der Weg endet schnell an einer nicht-vorhandenen Brücke. Also zurück. Es sind nur 42 km bis nach Shkodra. Wir wollen vor dem Regen, der am Nachmittag erwartet wird, ankommen. Erst fahren wir auf der Hauptstraße, die auch nach Montenegro führt, dann auf einer Nebenstraße durch landwirtschaftliches Gebiet und kleine Dörfer. Die Gegend macht insgesamt einen „wohlhabenderen“ Eindruck. Der Anteil neuer Häuser ist größer. Auch gibt es weniger Wasserbehälter auf den Dächern. Die ganze Zeit das wunderschöne Gebirgspanorama. Um diese Jahreszeit gibt die fehlende Begrünung den Blick auf alle Schwächen schonungslos frei. Das war ja auch eine Überlegung dabei, die Fahrt im Winter anzutreten. Im Sommer erscheint alles milder und schöner. Eine Brücke über einen kleinen Bach ohne Geländer will fotografiert werden. Daneben ein Mann der an einer Steinmauer um sein Grundstück in italienischem Stil arbeitet. Er möchte mit mit ins Gespräch kommen und erzählt über Albanien. Er würde in Italien arbeiten. Die Löhne in Albanien wären viel zu niedrig. Die Albaner hätten ein gutes Herz, doch wollten sie sich nicht an Regeln halten. Man merkt es im Straßenverkehr, erwidere ich. Er lacht. Er setzt auf die Weisheit und Kraft Gottes, statt auf Regierungen. Der Kommunismus hätte viel zerstört.
Nicht nur die Häuser werden schöner, auch die Autofahrer verhalten sich anders, meine ich zu bemerken. Da wartet sogar einer mit dem Abbiegen, bis ich vorbei gefahren bin, statt schnell noch vor mir vorbeizuhuschen und darauf zu setzen, dass ich bremse. Shkodra ist für die vielen Fahrradfahrer bekannt. Sie fahren kreuz und quer über die Straßen der Altstadt. Fahrräder stehen vor Garagen, in denen meist von älteren Männern Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Der Markt in den Straßen der Altstadt schließt gerade. Unser Hotel liegt im Ausgehviertel. Dort ist man bemüht, Anschluss an den internationalen Standard zu halten. Kleine Bars und Cafés mit interessanten kulinarischen Angeboten. Ein Mix aus Tradition und Moderne. In der Bar gegenüber esse ich frisch zubereitete Penne Amatriciana und kann auch nicht auf einen der leckeren Nachtische verzichten. Dann machen wir noch einen Stadtrundgang, bevor der Regen einsetzt.

Shkodra

Wetterbedingt bleiben wir zwei Tage in Shkodra. Nicht der schlechteste Ort für einen Stopp. Shkodra erscheint mir anders als das, was wir bis jetzt von Albanien gesehen haben.

Im Nationalmuseum für Fotografie habe ich die Gelegenheit, meine Fragen zu stellen. Ein junger Mann, der im Museum arbeitet, bestätigt mir, dass mein Eindruck nicht täuscht. Er könne viele Gründe nennen. Zwei Elemente seien am Wichtigsten. Erstens sei Shkodra schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein kulturelles Zentrum. Die albanische Fotografie habe sich mit dem Maler und Fotografen Pietro Marubi in Shkodra entwickelt. Mit ihm hätten viele Dichter in Shkodra im Austausch gelebt. Diese kulturelle Szene habe internationale Kontakte u.a. nach Venedig und Montenegro gehalten. Die geografischen Gegebenheiten seien dem entgegengekommen. Shkodra ist von Wasser umgeben. Der Fluss Buna verbindet die Stadt mit der Adria und öffnet so die Tür nach Venedig und in den Westen. Der See Skadarsko verbindet Shkodra mit Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro. So hat der kulturelle Austausch das intellektuelle Leben in Shkodra beeinflusst. Diese Verbindungen hätten auch eine religiöse Vielfalt in Shkodra geschaffen. Neben muslimischen gebe es auch zahlreiche katholische und orthodoxe Glaubensgemeinschaften. Darüber hinaus sprächen die Menschen in Shkodra einen alten Dialekt, der nur in dieser Gegend gesprochen wird.
Im Kommunismus habe das dazu geführt, dass Shkodra sehr viele Opfer zu beklagen hatte. Es habe eine starke antikommunistische Bewegung gegeben, die sich aus Intellektuellen und den religiösen Gemeinschaften gespeist habe. Seit 1967 sei Albanien der erste und einzige atheistische Staat der Welt gewesen. All dies hat das Leben in Shkodra geprägt, das heute noch ein kulturelles Zentrum ist.

Vermutlich hat auch der von den Albanern verehrte Feldherr Skanderbeg, dessen Grab sich in Lezhe befindet, einen Anteil am italienischen Einfluss in der Region. Mehrfach schlug er in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Osmanen in Schlachten in Nordalbanien in die Flucht. Dies tat er mit wiederholter italienischer Unterstützung verschiedener Fürstenhäuser. Wiederholt bekam er Geld aus Venedig und sogar vom Papst. Erst nach seinem Tod gelang den Osmanen die Unterwerfung von Albanien. Erst 1912 konnten sie ihre Unabhängigkeit wiedergewinnen.

Skanderbeg-Grab in Lezhe
Foto: Stefan Axler

Skadarsko See

Blick auf Shkodra von der Rozafa Burg
Tirana – Lezhe64 km 210 hm
Lezhe – Shkodra43 km70 hm
Ausflug zum Skadarsko See30 km120 hm
Strecken auf Komoot

4 Kommentare zu „Albanien – Lezhe und Shkodra

  1. Hi Sabine
    Es ist jeden Tag spannend deine Berichte zu lesen und die Bilder zu sehen.
    Einfach schön wie du alles beschreibst,ich würde es tatsächlich in welcher Form auch immer veröffentlichen.
    Weiter gut Fahrt,bleib gesund und geniesse die Zeit.
    Grüsse vom Lago do constanza
    Dieter

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  2. Liebe Sabine,

    Dieter hat vollkommen recht. Dein Blick auf das Land, die Landschaft, die Kultur und wann immer möglich auf die Menschen ist einfach klar und sachlich. Auch deine Bilder zeigen nicht nur die schönen Seiten der Länder, sondern so wie es ist. Ich kannte eine Familie aus Albanien, sie kamen aus dem Süden, ländliche Gegend. Von Ihnen habe ich die schöne Seite der Landschaft per Fotos gezeigt bekommen. Aber – tiefste Armut.
    Deine Reiseberichte gehören wirklich veröffentlicht, Du schreibst einfach gut!
    Ich freue mich auf weitere Berichte und
    hoffen, Du erlebst noch eine richtig gute Zeit, voller Freude und toller Eindrücke und das die Reise so verläuft wie Du sie dir erwünschst.

    Herzliche Grüße aus Hofheim
    Alexandra

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