Durch Apulien

Schon vor Termoli hören die guten Radwege auf. Bis Vasto geht es auf einem Gravelweg durch ein Naturschutzgebiet. Am Sonntagmorgen sind viele Mountainbiker unterwegs. Sie schaffen Abfahrt und Steigung mühelos, während ich mich mit den schweren Taschen auf der Abfahrt bei entgegenkommenden Pferden schwertue. Noch kann man die schneebedeckten Abruzzen am Horizont sehen.

Auf der sonntags wenig befahrenen Hauptstraße kommen wir schnell voran. Komoot versucht uns immer wieder auf Nebenstraßen zu leiten. Erst ein paar Tage später erinnere ich mich daran, dass ich die Einstellung bei Komoot ändern und nur noch fürs Rennrad planen sollte. Die Navigationskarten werden von den Katasterämtern mit Daten bestückt. In einer Region wie Apulien sind sowohl die Wege schlecht und die Daten sehr optimistisch gepflegt. Das bedeutet, dass man auf nicht befahrbare oder nicht vorhandene Wege treffen kann.

Unser erstes Ziel in Apulien ist Lesina. Ein kleines Städtchen mit historischem Stadtkern am Rande des Naturparks Gargano an einer Lagune. Die Halbinsel Gargano ist im Gegensatz zum größten Teil Apuliens bergig mit steilen Anstiegen. Deshalb fahren wir am Gargano vorbei. Am Abend des Karnevalsonntag sind viele Menschen an der Seepromenade – Lungolago. Die Jugend feiert. Menschen trinken Kaffee oder Aperitif. Man kennt und trifft sich auf einen Plausch. Die Cafés locken mit Rock- und Popmusik. Wir haben gut ausgestattete Zimmer in einem der historischen Häuser. Immer noch sind warme Decken wichtig. Im Winter gibt es statt der Wolldecken, Steppdecken auf den Laken.

Gargano – der Sporn am Absatz des Stiefels

Auf der Fahrt durchs Landesinnere wird es nun endlich wärmer. Die Natur hat schon ein paar Blüten zu bieten. Bei Poggio Imperiale ein riesiger Steinbruch. Hier werden die Steine für die landestypischen Bauwerke abgebaut.

Es gibt köstliches Essen in Apulien, nur leider nicht dann, wenn Radfahrer Hunger haben. Auch im Winter ändern die Menschen ihren Tagesrhythmus nicht. Morgens bis 13 Uhr wird gearbeitet und Besorgungen gemacht. Dann gibt es eine lange Pause bis um 16 Uhr die Bars öffnen und die Restaurants nach 20 Uhr. Je weiter man nach Süden kommt, um so später wird zu Abend gegessen. Verständlich, dass es nur ein kleines Frühstück gibt. Einige Male bekommen wir im B&B Frühstücksgutscheine für ein Café. Ein Kaffee und ein Cornetto. Keine gute Grundlage, um den ganzen Tag zu radeln. In Bari ist morgens ein reges Treiben im Café. Meist wird der Espresso schnell im Stehen an der Theke getrunken. Es dauert kaum fünf Minuten. Ein paar Worte gewechselt und weiter. Auch Parken in der zweiten Reihe für den schnellen Espresso geht da noch. Als gelassen dort sitzende Person erntet man Blicke und der Chef wird schon mal gefragt, wer das sei.

Die historische Altstadt in Barletta zeigt sich uns am Abend mit den milden warmen Lichtern von ihrer schönsten Seite. Da die Restaurants noch geschlossen sind, gehen wir in eine Bar und sitzen draußen unter einer Gaslaterne. So können wir die abendliche Atmosphäre wirken lassen. Drinnen läuft Eintracht Frankfurt gegen Napoli. Die Bar ist voll. Die Männer schauen gebannt das Spiel.

Am nächsten Tag passiert es dann. Ich habe einen Platten. Daran wundert mich nur, dass es jetzt erst passiert. Die Straßen sind voller Scherben, Schlaglöcher und Abfall. Zum Glück passiert es in einer Stad, wo ich das Rad zu einem Fahrradladen schieben kann, während Stefan auf die Sachen aufpasst. Auf dem Weg dorthin lotst mich ein Mann in einen kleinen, altmodisch aussehenden Fahrradladen. Den Schlauch lehnt er ab. Er repariert unkonventionell, montiert nicht mal das Rad ab, zieht den Schlauch zwischen Mantel und Felge hinaus, sucht das Loch im Wasser und flickt das Loch. Das dauert zehn Minuten, kostet drei Euro und hält.

In Bari brauchen wir einen Pausentag für dies und jenes. Wäsche waschen, Rad-Check und Stadtbesichtigung im Schnelldurchlauf. Zuerst probiere ich es in einem Waschsalon, der sich als chemische Reinigung entpuppt. Mit mir ein dunkelhäutiger Mann mit abgewetzter Kleidung im Geschäft, der das gleiche Anliegen hat. Zwei komplizierte Kunden für die Frau in der Reinigung. Wir sprechen beide kaum italienisch. So gehen wir also zusammen zum Selbstwaschsalon. Der junge Mann nennt sich Romeo und erzählt mir, er käme aus Kuba, seine Eltern, mit denen er nach Italien gekommen wäre, würden in Trient arbeiten und er selbst wäre Sprinter, der 100 m in 10 Sekunden läuft. Er spricht weder richtig italienisch, spanisch oder englisch. Ich zeige ihm nicht, dass ich ihm seine Geschichte nicht glaube. Vielleicht braucht man so eine Geschichte, wenn man illegal im Land ist.

Im Burgmuseum von Bari werden Keramiken aus Ausgrabungen gezeigt und historisch eingeordnet. Die meisten sind aus der Zeit der griechischen Besatzung und zeugen vom Wohlstand der Ober- und Mittelschicht. Apulien ist Italiens Tor zum Orient sagt der Wirt des B&B in Fasano. Wir sprechen ihn auf die runden Häuschen, die wir auf der Fahrt gesehen haben an. Sie heißen Trullo – in der Mehrzahl Trulli. Siedler aus Kleinasien hätten sie eingeführt. Sie schützten mit ihren dicken Wänden im Sommer vor Hitze und im Winter vor Kälte und böten so den Landarbeitern Schutz. Trulli haben es sogar bis nach Rheinhessen geschafft. Dort stehen sie als Schutzhütten in den Weinbergen.

Valle Caterina – Lesina88 km310 hm
Lesina – Foggia53 km230 hm
Foggia – Barletta69 km70 hm
Barletta – Bari69 km220 hm
Bari – Fasano69 km540 hm
Gefahrene Strecken auf Komoot

2 Kommentare zu „Durch Apulien

  1. Ich bin begeistert von deiner Reisebeschreibung und den schönen Bildern.
    Habe deinen Bericht per Mail von unserer Freundin Andrea erhalten.war schon begeistert von deiner „World tour“ vor ein paar Jahren.Kompliment und das alles auf dem Rad.
    Meine Frau Sonja und ich sind auch begeisterte Radfahrer,wohnen unter anderem aus diesem Grund,nach unserer Frankfurter Zeit hier in Wasserburg am Bodensee.Hier haben wir alle Möglichkeiten im Dreiländereck.
    Machen aber immer nur kleinere Touren wie rund um den See oder Altmühltal etc.
    Im Juni machen wir Andrea und Schorsch die Donautour von Donaueschingen nach Regensburg mit max.60 – 70 km pro Tag.
    Ich werde dich auf deiner Reise begleiten,da ich die Gegend um Bari bis zum Stiefelende gut kenne,da ich mit meiner damaligen Fa.ATE zum Autotest sehr oft im Winter dort war.Unsere Zentrale damals war die Teststrecke in Nardo..
    Ich wünsche euch weiterhin viel Spass zu solch einer bewundernswert Radreise,wir Schlauchflicken nach alter Flickmethode!!
    Viele Grüsse vom Lago di constanza.
    Dieter

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    1. Hallo Dieter, vielen Dank für deine Zeilen. Es freut mich, dass dir mein Reisebericht gefällt. Am Bodensee habt ihr es wirklich schön. Zweimal bin ich schon mit dem Rad hingefahren und war in Bregenz auf der Seebühne. Ich wünsche euch eine schöne Radtour mit Andrea und Schorsch. Schöne Grüße aus Vlora in Albanien
      Sabine

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