Vom Rheindelta zum Donaudelta

Josine heisst die junge Frau. Sie kommt aus Rotterdam. Anfang 2022 wurde ihr Vertrag als Kindergärtnerin wegen Corona nicht verlängert und sie verlor ihre Wohnung. So setzte sie sich auf ihr Fahrrad und fuhr den Rhein hoch. Als Niederländerin war sie gewohnt, das Fahrrad im Alltag zu benutzen. Acht Monate hatte sie sich Zeit genommen. Ihr vages Ziel war Georgien. Ich traf sie kurz vor Belgrad. Gefühlt raste sie von hinten heran. Sie war froh, Radlerinnen zu treffen. Auf einem Campingplatz an der Donau erzählte sie von ihrer Reise. Als sie losfuhr war es kalt und es gab noch etliche coronabedingte Einschränkungen. Sie übernachtete in Hostels im gemischten Schlafsaal oder im Zelt – manchmal auf Campingplätzen, manchmal wild. Sie überwand ihre Ängste vor der einsamen Nacht im Zelt und vor den zudringlichen Männern im Hostel. Sie lernte sich abzugrenzen und durchzusetzen. Auch ihre Ängste vor den freilaufenden Hunden und Bullen konnte sie Stück für Stück abbauen. Sie ist neugierig und hört gerne zu, wenn andere ihre Geschichten erzählen – immer auf der Suche nach neuen Aspekten, von denen sie lernen kann. Für sie war es eine Reise der Neuorientierung in einer Übergangszeit.

Ab Belgrad radelten wir getrennt weiter. Josine folgte der Donau. Nördlich von Constanza trafen wir uns auf einem Campingplatz wieder und fuhren zusammen ins Donaudelta. Wir suchten eine Gelegenheit dort zu paddeln. Irgendwann stellte Josine fest:“ Hier sieht es aus, wie in Holland, im Rheindelta.“ Schilf und Wasser. Vielleicht wäre das Rheindelta heute genauso ein Naturparadies für Vögel, Fische und andere Tiere, wenn nicht die Industrialisierung und der Hafen von Rotterdam die Natur verdrängt hätte.

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