Abschied von Bulgarien

Morgens habe ich einen kleinen Kater vom Vorabend. Zuviel Wein in der Weinstube. Dementsprechend brauche ich lange bis ich los komme. Wie erwartet geht es erst einmal hoch auf den Felsrücken, an dem Varna liegt. Es ist schwül und steil. Ein kleines Stück an der Hauptstraße schiebe ich hoch. Enttäuschenderweise ist das Meer mit Nebel bedeckt und die Berge wolkenverhangen. So plage ich mich mit den Anstiegen ohne die Belohnung, tolle Aussichten zu haben. Bei klarer Sicht muss der Ausblick fantastisch sein. Mir bleibt nur meine Fantasie.

Das Stück bis zur rumänischen Grenze ist auf Komoot als Radweg gekennzeichnet. Die meiste Zeit führt die Strecke über wenig befahrene Nebenstraßen. An stärker befahrenen Straßen gibt es teilweise Seitenstreifen oder Radwege. Etwa auf halber Strecke führt der Weg hinunter ans Meer. Die thrakischen Felsen müssen umfahren werden. Eine eigenartige Stimmung am vernebelten Meer. Eine Promenade mit Hüpfburg und Restaurants am Wasser. Blick auf die Hafenkräne. Auch hier sehe ich ukrainische Familie. Man erkennt sie, wenn sie sich auf russisch unterhalten. Nach einer Pause gibt es den erwarteten harten Anstieg. Noch ein Blick auf die thrakischen Felsen. Dann ist die zauberhafte Landschaft Vergangenheit. Es geht zwar ständig bergab und zum Glück mit Rückenwind. Aber jetzt beherrschen Felder und Windräder das Bild. Ein trostloser Anblick und auch die Dörfer werden einfacher. Nach 70 km gibt es ein nettes, kleines Hotel mit Restaurant in Schabla am Leuchtturm. Dort bleibe ich. Josine schreibt, dass sie auf mich wartet und ich freue mich auf ihre Gesellschaft.

Nachts gab es ein starkes Gewitter und morgens sind große Pfützen auf dem Weg. Surfer kommen auf dem Parkplatz an. Scheinbar ein Strand zum Surfen. Die Anlage vor dem Hotel deutet darauf hin, dass es sich um einen beliebten Treffpunkt handelt. Im Sommer kämen viele Gäste. Ich kann es mir nicht richtig vorstellen. Nach dem Frühstück fahre ich los. Zum Glück ist Sonntag. Es fahren fast keine Lastwagen und es ist kaum Verkehr. Der Weg führt über die Hauptstraße. Das Wetter weiß nicht, was es will. Wie am Vortag. Mal ist es kühl, mal schwül. Die letzten Kilometer in Bulgarien führen durch Weize-, Kräuter- und Gemüsefelder. Es sieht alles sehr ordentlich aus. Das Meer glitzert hinter den Feldern. In den Orten ein Wechsel aus Blumenpracht und Müll. An der Grenze auf bulgarischer Seite die übergroßen Fahnen Bulgariens und der EU. Auf rumänischer Seite nichts davon. Die rumänische Seite ist belebter. Sofort beginnt der Tourismus. Tourismus vor riesigen Hafenkränen. Bizarr mutet das an. In Mangalia sind mehrere Kriegsschiffe im Hafen. In Rumänien ist es bunter als in Bulgarien. Die Häuser sind meist nicht so runtergekommen. Die Preise sind hier etwas höher als in Bulgarien, aber aus deutscher Sicht immer noch günstig. Nach der Pause führt mich der Track über unbefestigte Wege mit tiefen Pfützen. An Bahngleisen, die ich überqueren muss, erklimme ich die Treppen. Erst das Gepäck, dann das Rad. Über die Gleise steigen. Aber hier fährt noch ein Zug! Etwas bange ist mir, weil die Kurve nah und nicht einsichtig ist. Weiter geht es auf unbefestigten Wegen. Hier geht nur entweder Autobahn oder Gravelroad. 5 km auf der Schnellstraße. Da ist mir ziemlich mulmig. Mir bleibt nichts anderes übrig als die Schnellstraße zu nehmen. Eforie Nord hatte ich mal als Ziel gewählt, weil es hier einen Zeltplatz gibt. Doch es ist kühl. Ich mag nicht zelten. Ein Kiosk mit Grill lockt mit dem Geruch von gegrilltem Fleisch. Ich trinke dort ein Bier und buche ein Zimmer für 20 €. Die anderen Gäste sind freundlich und neugierig. Sie fragen mich, woher ich komme. Wenn ich Deutschland sage, geht der Daumen hoch. Eforie – Nord ist ein hübscher Touristenort. Auch hier, wie an der gesamten Küste wird die saison vorbereitet. Im Moment ist noch nicht viel los. Herausgeputzte „Zigeuner“-Mädchen kommen mir am Eingang entgegen. Sie sind noch sehr jung.

Nachts hat es geregnet. Gut, dass ich nicht gezeltet habe. Morgens gehe ich zum Frühstück ins Restaurant. Der Kellner wieselt um mich herum. Er tischt Wurst, Käse, Kuchen und Spiegelei auf. Viel zu viel. Bei der Rechnung vertut er sich um den Faktor 10. 350 Lei möchte er statt 35. Zum Glück rechne ich im Kopf mit. Ich starte, fahre noch etwas durch die regennassen Straßen der Stadt. Die Nebenstraßen sind durchweg unbefestigt in diesem ansonsten hübschen Ferienorr. Mein Weg führt mich durch den Getreidehafen von Constanza. Lange LKW-Schlangen vor dem Getreidehafen. Mein erster Gedanke: Getreide aus der Ukraine. Wo wird es hingebracht? Plötzlich stehe ich vor dem Hafentor. Den Weg am hafen vorbei kann ich nicht finden. Der Hafenmitarbeiter zögert erst ein bisschen und lässt mich dann durchfahren. Am Tor 6 ginge es wieder hinaus. Die LKW Fahrer schauen irritiert auf mich mit dem Fahrrad, sind jedoch vorsichtig und halten Abstand. Dort angekommen nutzt der Mann an der Schranke die Gelegenheit, mich auszufragen. Name und woher ich komme, wo ich langgefahren bin und wohin es geht. „Gute Fahrt!“ wünscht er mir. Froh, aus dem Hafen hinaus zu sein, fahre ich durch Constanza. Dichter Verkehr und hässliche Vororte machen mir wenig Lust, die Stadt zu erforschen. Mit dem Gepäckrad ist es schwierig. Lieber nehme ich mir später noch einen Tag. Dann fahre ich durch Mamaia, ein bekannter Badeort, der zwischen dem Schwarzen Meer und dem See Lacul Siutghiol nördlich von Constanza liegt. Mit einer Gondel kann man von Constanza nach Mamaia über den Dächern fahren. Auf der Promenade herrscht Ende Mai noch Ruhe vor dem Sturm. Gähnende Leere zwischen Appartements und Strandbars. Pause in einem kleinen Cafe auf der Promenade. Dann geht es weiter durch gerade entstehende Touristensilos. Es gibt einen Radweg, der erst auf Höhe einer Raffinerie an Qualität gewinnt. Etwas weiter biegt der Weg zum Campingplatz Malul Marii, wo ich mit Josine verabredet bin, ab. Bevor jemand kommt, muss ich anrufen. Der Platz liegt sehr malerisch etwas erhöht an der Küste. Hier soll alles Eco sein. In Praxis bedeutet das, dass es kaum Wasser gibt und die Sanitäranlagen heruntergekommen sind. Immerhin wird der Müll getrennt.
Ich treffe Josine. Wir gehen in ein kleines Restaurant neben dem Campingplatz und haben uns viel zu erzählen.

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