Vom Sonnenstrand nach Varna

Andreas schlägt mir eine Abkürzung über einen Wirtschaftsweg vor. Dadurch spare ich neun Kilometer und ein paar Höhenmeter. Trotz Bedenken nehme ich diesen Vorschlag an und Andreas begleitet mich noch bis zur Hauptstraße. Ich bin dankbar für die Begleitung. Es geht zwar bergab, aber der Weg ist schwierig zu fahren. Und dann rasen auch noch Geländewagen über den Weg. Wir drücken uns auf die Seite. An der Hauptstraße verabschieden wir uns. Bald stelle ich fest, dass dies eine tolle Route ist. Kaum Verkehr. Es geht über 30 Kilometer sanft bergauf und das Panorama ist wunderschön. Auf der einen Seite bewaldete Hügel, auf der anderen Wiesen und Felder. An einer der vielen Quellen begegnet mir ein Mann mit Eselskarren und Hund. Am höchsten Punkt mache ich eine Pause. Von dort fahre ich auf europäisch gesponserter neuer Straße durch Schluchten und Wälder bis zum ethnografischen Komplex Ovchaga in Asparuhovo. Eine junge Frau, vermutlich eine Roma, empfängt mich und ist offensichtlich verantwortlich. Darüber hinaus verstehe ich nicht, was es mit einem ethnografischen Komplex auf sich hat. Der Ort ist besonders. Er liegt an einem großen Stausee. Steinfiguren, die sich über Jahrmillionen durch Auswaschungen gebildet haben, säumen das Ufer. Es sind die wundersamen Steine. Sie sehen aus, als wären sie Teil einer ehemaligen Höhle. So wie die Gebirgsfelsen dieser Gegend Strukturen aufweisen, die darauf hindeuten, das sie von Wasser bedeckt gewesen sind.

Zum Frühstück kommt die Katze wieder. Abends hatte ich ihr die reste von dem Hühnerbein gegeben, das ich mir im Supermarkt gekauft hatte. Diesmal habe ich nichts für sie. Ich packe meine Sachen und fahre los. Noch etwas verwundert über diesen hübschen, der scheinbar nichts hat, was die vielen Ferienanlagen rechtfertigt. Später lese ich, dass es hier Kletterfelsen gibt und die Urlauber zum angeln und Wandern herkommen. Es ist unangenehm schwül. Die Straße ist etwas mehr befahren als am Vortag. Nach ca. 20 km führt die Route auf Nebenstraßen. Alle sind gut zu fahren. In einem Kiosk, in dem ich Pause mache, sitzen junge Männer mit nacktem Oberkörper und tätowiert. Einer kann Deutsch. Er fragt mich, wohin, woher und wo ich übernachte. Mit meiner Antwort ist er zufrieden. Es wäre schön hier, fragt er mich. Die Natur sei sehr schön, antworte ich. Auch gut. Bauarbeiter rufen mir zu ‚Alles gut‘!. ‚Alles gut!‘ rufe ich zurück. Sie freuen sich, mich als Deutsche erkannt zu haben. Germania und lachen höre ich im Vorbeifahren. Viele Autofahrer hupen freundlich und winken. In einem kleinen Ort fotografiere ich ein Kriegsdenkmal. Vier Personen arbeiten in den Grünanlagen. Sie wollen wissen, woher ich komme. Eine Frau war zwei Jahre in Deutschland. Ich freue mich über die gut gepflegten Grünanlagen. Sie sind stolz auf ihre Arbeit. Wie in ganz Bulgarien hängen in den Orten, durch die ich fahre Bulgarienfahnen an den Häusern. Einmal kommt ein Hund von einem Grundstück hinter mir her gerannt. Ihn kann ich auch durch Ansprache nicht besänftigen. Gegenüber auf der anderen Seite der Bahn sitzen Männer, die den Hund zurückrufen. Er reagiert. Der Weg führt mich 15 km vor Varna mit einer Fähre über den Trichter vor Varna. Natürlich fährt die Fähre gerade ab, als ich ankomme. Ich versuche ein Ticket zu kaufen. Kein Ticket! Free! Der Weg von der Fähre nach Varna fühlt sich an, als müsse ich mich erst einmal durch den Griesbrei fressen, um ins Schlaraffenland zu kommen. Über 15 km auf stark befahrener Straße durch Industriegebiete und Hafenanlagen. Etliche Öllager, Tankzüge auf ausufernden Gleisanlagen, ein im Bau befindliches Flüssiggasterminal. Erst auf dem letzten Kilometer ahne ich, dass es sich um eine schöne Altstadt handeln könnte. Meine Unterkunft konkurriert mit der in Karlovo um den Spitzenplatz unter den Schlechtesten auf dieser Reise. Erst muss ich den Vermieter anrufen und eine halbe Stunde warten. Dann ist die Wohnung dunkel, kein Herd, kaum Geschirr. Alles fühlt sich schmutzig an. Dafür in toller Lage. Kaum 5 Minuten bis zum Meer. Ich gehe in ein Restaurant, das vornehm tut. Das Essen ist widerlich und liegt mir die halbe Nacht schwer im Magen. Vier junge Deutsche am Nebentisch, die aus Deutschland wegen der Art, wie in Deutschland mit Corona umgegangen wird, geflüchtet sind. Die Traumatisierung ist noch frisch. Sie können nicht von dem Thema lassen. All diese verwirrenden und widersprüchlichen Vorgaben müssen erstmal raus. Sie sind verstört und haben das Vertrauen in die Regierung verloren. Sie wollen erstmal eine Weile woanders leben und arbeiten. Als digitale Nomaden leben.

Varna wäre schöner als Burgas, erzählte Patricia. Varna ist eine Stadt, die ganzjährig etwas zu bieten hat. Im Sommer belebt der Tourismus die Stadt, im Winter sind es die Studenten. Der Hafen von Varna ist zudem wesentlich größer. Ich fahre mit dem Rad die Promenade hinauf. Der Strand und die Strandbars sind wesentlich attraktiver als in Burgas. Burgas ist Kleinstadt dagegen. Auch der Meerespark ist um ein vielfaches größer und wartet mit Karussellsfür die Kinder auf. Ganz zu schweigen von der Innenstadt. Ich wollte es erst nicht glauben. Aber Varna ist tatsächlich die attraktivere Stadt. Dafür ist Burgas mit seinem flachen Umland besser zum Radfahren geeignet. Varna erstreckt sich auf dem Rücken der Küstenfelsen hinunter ans Meer. Innenstadt und Fußgängerzone sind direkt mit dem 4 km langen Meerespark verbunden. Aufsehenerregend ist das große Sportbad direkt an der Promenade. Hier trainieren Wasserballer, Turmspringer und Schwimmer. Abends setze ich mich in einen kleinen Weinshop und trinke Weißwein. Dort schaue ich mehr dem Gespräch der interessanten Ladenbetreiberin mit einem Gast zu als das ich etwas verstehe. Schade, dass ich wegen der Verabredung mit Josine schon wieder ein bisschen unter Zeitdruck bin. Hierhin würde ich gern zurückkommen.

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