Endlich am Start

Dienstags früh kurz nach 7 am Bahnhof Hofheim ging es los. Etwas aufgeregt, ob alles funktionieren würde. Und beruhigt, weil das Reiserad auf der Zugfahrt schon mal die bessere Wahl ist. Es ist einfacher zu handeln, weil es kleiner ist und einen Seitenständer hat. Auch ums Gewicht muss ich mich nicht sorgen. Soviel, wie es trägt (150 kg Gesamtgewicht) kann ich gar nicht laden.

Meine ersten Mitreisenden im Zugabteil waren auf dem Weg nach Ulm. Sie hatten ihren Anschluss verpasst und saßen nun bangend im Zug, ob sie mitfahren konnten. Es ging alles gut. Die Züge sind gerade nicht so voll. Sie haben ein Gewerbe mit Fahrradklingeln, die sie vornehmlich auf Märkten vertreiben. Durch Corona haben sie ihre Existenzgrundlage verloren. Nun gibt es Hartz IV. Er überlegt, seine Maschinen zu verkaufen. Die Mitarbeiter musste er entlassen. Vielleicht schafft er es mit einem neuen Geschäftsmodell. So sind seine Überlegungen. Danach hatte ich Gesellschaft von einer Hebamme, die zwischen Ravensburg, wo sie arbeitet und Berlin pendelt. Noch kann sie sich nicht ganz von Berlin trennen. Sie war als Hebamme sehr stark von den Coronaregeln belastet und hat mit ihren Kolleginnen ihr Bestes gegeben auch Frauen, die ohne ihre Partner gebären mussten, eine schöne Geburt zu ermöglichen. Jetzt ist sie froh, keine FFP2 Masken mehr tragen zu müssen. Das wäre sehr belastend gewesen.

Den Rest der Zugfahrt verbringe ich dösend auf den ausgezogenen Sitzen und denke an die Liegewagen in Russland, wo ich immer nach wenigen Minuten eingeschlafen bin. Hoffentlich erlebe ich es noch, dass in Europa auf Langstrecken solche Wagen eingesetzt werden. Nach 9 Stunden bin ich endlich da und radele ins Hotel. Es ist heiß. Mein erstes Bedürfnis ist, an den Wörthersee zu fahren und einen Blick auf die Karawanken zu werfen. Es ist ein klarer Abend. Ich bin glücklich dort zu sein, wo ich im letzten Jahr meine Reise beendet habe. Es ist traumhaft schön und entspannt. Wie im letzten Jahr habe ich das Gefühl, das die Menschen entspannter mit der Coronakrise umgehen.

Blick auf Wörthersee und Karawanken

Stellt sich die Frage, was mit meiner Verabredung ist. Ich habe mich mit einem Journalisten verabredet, der einen Zoomvortrag gehalten hat. Ein Spezialist für Menschenrechte und Friedenspolitik. Zufällig sind wir ins Gespräch übers Radreisen gekommen und haben uns verabredet, ab Klagenfurt ein Stück zusammen zu fahren. Er ist mit seinem Liegerad unterwegs. Von Landeck kommend wollte er den Reschenpass überqueren, ins Etschtal, dann nach Venedig und von Grado aus den Alpe Adria Radweg nach Klagenfurt. Ich hatte ihm ein WhatsApp geschrieben und keine Antwort bekommen. Nun bin ich unsicher. Abends treffe ich ihn nicht mehr. Morgens sehe ich beim Frühstück einen Mann in meinem Alter in Radkleidung. Man kann ja mal fragen! Ob er mit dem Rad unterwegs ist und wohin es gehen soll. Ja, es ist meine Verabredung. Er ist ein freundlicher, offener Mann, der das Binnen-I sprachlich beherrscht. Da kann ja nichts mehr schief gehen. Die ersten Meter sind etwas schwierig, weil ich mich erst an meinen neuen Garmin gewöhnen muss, aber dann klappt alles gut.

Ein Reisebegleiter am Start

Unsere erste Tagesetappe geht bis Lavamünd. Dort gibt es einen Campingplatz. Die 75 km mit mehr als 400 HM finde ich mit dem Gepäck ziemlich anstrengend. Zudem ist es sehr heiß. Es passt ganz gut, dass Andreas auf seinem Liegerad auch nicht so gut die Berge hinauf kommt. So schieben wir gemeinsam. Und ich bin noch zufriedener, mich für das Reiserad entschieden zu haben. Es geht uns nicht um Schnelligkeit und Kilometer schrubben. Wir fahren langsam, machen viele Pausen und erzählen. Mit Interesse höre ich mir seine Geschichten aus 40 Jahren Journalismus an und lerne eine ganze Menge über Politik.

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